Menü
Frage: Wie überwinden wir die grassierende Euroskepsis großer Teile der
Bevölkerung? Mit welchem Bild eines geeinten Europas wollen wir die Europäer von
unserer Idee begeistern und die Gespenster der Krise überwinden?
Antwort
Katrin Göring-Eckardt: Ich bin der Überzeugung, dass wir mehr und gerade junge Menschen für Europa begeistern können, wenn wir deutlich machen, dass Europa mehr ist als eine Fiskalunion oder als eine Entscheidungsebene. Wo Europa im Alltag wirkt, und was unsere Vision eines Sozialen Europas ist, das werden wir an vielen großen und kleinen Beispielen zeigen müssen, um mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass es uns ohne Europa irgendwie besser ginge, denn das Gegenteil ist der Fall.
Renate Künast: Die Skepsis gegenüber der Krisenpolitik beruht vor allem auf dem diffusen Gefühl zur Kasse gebeten zu werden. Hier helfen nur Aufklärung, Transparenz, Aufrichtigkeit und der unbedingte Bereitschaft, komplexe Zusammenhänge immer wieder zu erklären.
Ich denke, wir müssen das Europäische Projekt einerseits konsequent im historischen und globalen Kontext beleuchten: Ein gemeinsames Europa hat uns in den vergangenen'Jahrzehnten Frieden, Freiheit und Wohlstand gesichert, deswegen müssen wir Europa sichern.
Anderseits ist es notwendig, auch immer wieder herauszuarbeiten, dass Europa den Bürgerinnen und den Bürgern vor Ort zum Beispiel mit dem Binnenmarkt und der Freizügigkeit eine Menge Vorteile bringt.
Zentral für die Akzeptanz des europäischen Projekts ist ein demokratisches Fundament der Union. Wir müssen die EU der Regierungen weiterentwickeln zu einer EU der europäischen Bürgerinnen und Bürger. Deshalb sollte der nächste Entwicklungsschritt der EU über einen europäischen Konvent erfolgen, der nicht nur die übliche Ansammlung von Männern in grauen Anzügen, sondern auch Zivilgesellschaft und Sozialpartner beteiligt. Das Ergebnis muss sich einem Referendum stellen. Aber nicht einem Referendum der einzelnen Mitgliedsstaaten wie es die Stammtische gerne hätten. Hier ist ein Referendum der europäischen Bevölkerung gefragt.
Alfred Mayer: Durch Einführung einer Bürgerbeteiligung nach Schweizer Muster und durch die Ermutigung zum Masseneintritt in die Parteien, weil dort entschieden wird, wer uns vertritt und welche Politik gemacht wird. Allein wählen gehen reicht überhaupt nicht. Vgl. www.demokratievonunten.blog.de
Markus Meister: Ein freies, demokratisches und friedliches Europa mit freier Wahl von Wohn- und Arbeitsort und der Möglichkeit ohne Grenzkontrollen zu reisen und andere Menschen, Sprachen und Kulturen kennenzulernen. Doch die jetzige EU kommt als Bürokratenmonster zu oft daher, mit Gesetzen und Verordnungen die keiner begreift. Auch die nationalen Interessen, die Fokussierung auf wirtschaftliche Vorteile für die einzelnen Nationalstaaten, der wirtschaftliche Konkurrenzkampf untereinander sind ein großes Problem.
Auch die Arbeitsmoral einiger Abgeordneten, deren Privilegien und der kostenintensive ständige Umzug von Strassburg nach Brüssel, versteht niemand. Genau wie einige Subventionen, z.B. für einen Limonadenhersteller der als Zuckerexporteur Subventionen bekommt, weil er amerikanische Militäreinrichtungen in Deutschland mit seinen Getränken beliefert. Da muss das Geld zum Volk und nicht zu den Konzernen! Ich denke aber, die Idee von einem geeinten Europa ist so groß, sie wird diese Krise überwinden und diese Ungerechtigkeiten am Ende doch beseitigen!
Claudia Roth: Die Geschichte der Europäischen Union ist eine Geschichte des Friedens, der Bürgerrechte und des solidarischen Miteinanders. Natürlich sind wir noch lange nicht am Ziel und gerade bei der Frage der demokratischen Teilhabe in Europa liegt noch ein langer Weg vor uns. Aber Errungenschaften wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sind ein Garant für eine demokratische und bürgerrechtliche Gesetzgebung in Europa und weit darüber hinaus. Wir dürfen nicht nur davon reden, dass wir die Menschen von Europa begeistern wollen, sondern müssen begeistert für Europa werben, seine Vorzüge würdigen und klar aufzeigen, welche Vision wir von einem Europa der Zukunft haben. Wir wollen ein Europa, das seine Festungen und Mauern einreißt und sich nicht abschottet gegenüber seinen Nachbarländern und gegenüber den Menschen, die auf der Flucht sind. Dabei geht es auch um ein Europa der Menschlichkeit, das nicht Tausende im Mittelmeer ertrinken lässt. Wir wollen ein Europa, das seine Bürgerinnen und Bürger schützt und nicht nur die zockenden Banken rettet. Und wir wollen ein Europa, das Teilhabe für alle ermöglicht und demokratische Beteiligungsformen auch bietet. Für dieses Europa müssen wir streiten und Europa zu einem offenen, sozial-gerechten und demokratisch legitimierten Staatenbund weiterentwickeln. Denn nur so werden wir es schaffen, die Menschen wieder für Europa zu begeistern.
Franz Spitzenberger: Das Modell der Vereinigten Staaten von Amerika mit seinen ziemlich selbstständigen Gliedstaaten (Neue Züricher Zeitung vom 3.12.11) ist für mich das ideale Modell für Europa. So wird Europa sich weiterentwickeln können und der EURO auf Ewig Bestand haben.
Jürgen Trittin: Ich glaube nicht, dass große Teile der Bevölkerung skeptisch gegenüber dem Euro an sich sind. Die Menschen sind verständlicherweise verunsichert und fragen sich, wo das alles hinführen soll und wie wir aus dieser Krise wieder vollständig herauskommen. Das sollte man aber nicht mit einer grundsätzlichen Euro- oder gar Europaskepsis verwechseln.
Ich bin überzeugt, dass sich die meisten Menschen bewusst sind, dass Deutschland stark vom Euro und von der europäischen Einigung profitiert hat. Es muss uns jetzt aber darum gehen, das Vertrauen der Menschen in dieses lebenswerte Europa wiederzugewinnen. Und vor allem das Vertrauen in die Politik, die das Diktat der Finanzmärkte nicht länger akzeptiert. Wir müssen glaubwürdig zeigen, dass nur ein starkes Europa in der Welt handlungsfähig ist und dass nur ein sozial gerechtes, ökologisches und demokratisches Europa auch weiterhin Garant für Sicherheit, Frieden und Wohlstand sein kann.
Die Menschen brauchen aber einen Bezug zu Europa und müssen auch mitreden und - entscheiden können. Nur wenn wir die Bürgerinnen und Bürger davon überzeugen können, dass es mit Grün gerechter und demokratischer zugeht in Europa, dass wir Ungleichgewichte und die soziale Schieflage abbauen können, dass Banken nicht mehr ohne Weiteres einen ganzen Wirtschaftsraum in die Krise stürzen können und junge Menschen deshalb perspektivlos auf der Straße stehen, dass wir ein Europa sind, das sich nicht nur für den freien Verkehr von Gütern und Dienstleistungen einsetzt, sondern das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt stellt, dann können wir diese Krise, die schon lange eine politische Krise ist, langfristig überwinden. Denn das geht nur mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen und nicht an ihnen vorbei.
Werner Winkler: Der "Europäische Traum", von der ich auf meiner ersten kurzen Rede in Hannover schon gesprochen habe, besteht aus vielen Bausteinen, die in den letzten zwei Jahrhunderten entwickelt wurde - darunter Menschenrechte, Demokratie, Gleichberechtigung aller Menschen, Freiheiten aller Art, soziale Marktwirtschaft, Solidarität und - zum Glück - inzwischen auch Nachhaltigkeit und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen; Letzteres ist auch unser Beitrag und ich denke, er wird als solcher anerkannt und geschätzt. Ich glaube also, je mehr Europäer sich dieses gewachsenen Schatzes bewusst werden, von dem sie täglich profitieren, desto eher treten die skeptischen Aspekte in den Hintergrund. Und natürlich auch dadurch, dass real vorhandene Probleme bestmöglich gelöst werden und die dafür notwendigen Entscheidungen von den dafür kompetenten Menschen getroffen werden.
Vielleicht würde es Sinn machen, den Unterschied zwischen dem Europäischen, dem Amerikanischen, dem Russischen und Chinesischen Traum deutlicher herauszustellen und so den besonderen Wert unseres Gesellschaftsentwurfs zu zeigen (ohne damit andere Menschen abzuwerten, aber um die Unterschiede in den Grundgedanken zu zeigen, zum Beispiel den großen Anteil grüner und sozial wirksamer Bausteine an diesem Traum).
Deutschland hat eine der erfolgreichsten Start-up-Szenen. Im internationalen Vergleich liegen wir mit 31 milliardenschweren Start-ups – [...]
Starkregen und Hochwasser werden durch die Klimakrise häufiger und extremer. Eine neue Studie des Umweltbundesamts zeigt, dass mehr als 80 [...]
Seit fast drei Jahren sind wir als Teil der Bundesregierung im Amt. Von Beginn an waren die Herausforderungen groß und sind es immer noch. [...]